2025_Schritt für Schritt#6

Kurze Zeit bis zum Neuanfang

Heute widmen wir uns Jessica* (31) und ihrem Weg „Schritt für Schritt“ in ein eigenständiges Leben. Die Mutter kam im Herbst 2024 mit ihrer 4-jährigen Tochter zu uns ins Schutzhaus. Die Monate zuvor waren eine große Belastung: Jessica lebte mit dem Vater des Kindes zusammen, der sie zunehmend psychisch unter Druck setzte.

Sie fühlte sich im Alltag vollkommen alleingelassen, entwickelte starke Ängste – und irgendwann sah sie keine andere Möglichkeit mehr, als aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Zuerst fand sie Unterschlupf bei ihrer Mutter, nahm dann aber Kontakt zum Amt für Wohnen und Migration auf und bat um Aufenthalt im HORIZONT-Schutzhaus, von dem Jessica bereits über ihre Mutter gehört hatte. Glücklicherweise war ab Oktober eine passende Wohnung bei uns für die kleine Familie frei.

Jessica erzählte uns gleich zu Beginn, dass ihr Ziel sei, spätestens in zwei Monaten eine neue Wohnung zu haben. Sehr engagiert ging sie auf viele Wohnbaufirmen zu und prüfte täglich verschiedene Internetplattformen. Lange gab es jedoch keine Aussicht auf einen Umzug, zudem hatte Jessica keinen aktiven Sozialwohnungsantrag – sie wurde an allen Stellen abgewiesen. Auch der Kindesvater erhöhte den Druck. Er hielt sich nicht an die Umgangsvereinbarungen und da er ihre Telefonnummer hatte, rief er Jessica Tag und Nacht an, um sie zu kontrollieren. Er drohte ihr zudem, keinen Unterhalt mehr zu bezahlen.

Nach mehreren Terminen in unserer sozialpädagogischen Beratung fühlte sich Jessica stark genug für ein gemeinsames Gespräch mit dem Kindesvater, in dem sie eine neue Umgangsvereinbarung vorschlagen und all ihre Probleme ohne Angst formulieren konnte. Dank dieses Gesprächs sowie der neuen, klaren Regelung hat sich der Kontakt zwischen Jessica und ihrem Ex-Partner allmählich entspannt, die Streitigkeiten wurden weniger.

Eine Wohnung und ein Job

Im Januar bekam Jessica dann gleich zwei gute Nachrichten: Die Zusage für einen Job an der Rezeption in einem Münchner Hotel und das Angebot ihres Ex-Mannes, dass sie vorübergehend wieder in die ehemalige gemeinsame Wohnung einziehen kann, da er etwas anderes gefunden hat. Hier werden Mama und Tochter nun erst mal bleiben. Und nach Jessicas Probezeit gibt es die Möglichkeit, eine eigene Wohnung für Hotelmitarbeitende zu beziehen. Ein sicheres Zuhause und ein Neuanfang sind also greifbar nahe.

Jessicas Bezugspädagogin von HORIZONT ist im Rahmen einer halbjährlichen Übergangsbegleitung auch weiterhin für die kleine Familie ansprechbar. Bei einem der letzten Treffen wirkte Jessica sehr zufrieden und sagte: „Trotz unserer ganzen Probleme konnte ich mir meinen Wunsch erfüllen – nach nur zwei Monaten eine eigene Wohnung für uns beide und eine Arbeit habe ich auch noch! Danke, dass ihr uns dabei unterstützt habt.“

Für die meisten HORIZONT-Familien ist der Weg zu einem Neustart aufgrund ihrer multiplen Problemlagen und Traumata länger und steiniger. Doch Jessicas Geschichte zeigt, dass es manchmal auch in wenigen Monaten zu schaffen ist – mit der richtigen Unterstützung.

*Name aus Schutzgründen geändert